Verurteilung wegen Vergewaltigung trotz rechtswidrigen Umgangs mit Daten aus Massengentest

Nach einem BGH-Urteil v. 20. 12. 2012 darf eine bei Auswertung von DNA-Proben festgestellte mögliche verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Vater und dem Onkel des Angeklagten mit dem mutmaßlichen Täter nicht als verdachtsbegründend gegen den Angeklagten verwendet werden. Allerdings wog der Fehler im vorliegenden Fall nicht derartig schwer, dass die gebotene Gesamtabwägung zu einem Verwertungsverbot führt, denn die Rechtslage zum Umgang mit sog. Beinahetreffern bei DNA-Reihenuntersuchungen war bisher völlig ungeklärt und das Vorgehen der Ermittlungsbehörden konnte daher noch nicht als willkürliche Missachtung des Gesetzes angesehen werden.  
Der 3. Strafsenat des BGH hat heute die Verurteilung eines Jugendlichen wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren durch das LG Osnabrück bestätigt.

Das Landgericht hatte sich von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich deshalb überzeugt, weil beim Tatopfer Zellmaterial gesichert werden konnte, das mit dem DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten übereinstimmt. Zur Ermittlung des Angeklagten als mutmaßlichem Täter hatten die Ergebnisse einer molekulargenetischen Reihenuntersuchung (§ 81 h StPO) geführt, an der ca. 2.400 Männer teilgenommen hatten ‑ unter ihnen der Vater und ein Onkel des Angeklagten. Deren DNA-Identifizierungsmuster stimmten zwar mit dem der Tatspuren nicht vollständig überein, wiesen aber eine so hohe Übereinstimmung auf, dass sie auf eine Verwandtschaft mit dem Täter schließen ließen.

Der Angeklagte hat im Revisionsverfahren neben anderen Beanstandungen mit einer Verfahrensrüge insbesondere geltend gemacht, die bei der molekulargenetischen Reihenuntersuchung festgestellten DNA-Identifizierungsmuster hätten nicht auf verwandtschaftliche Ähnlichkeiten abgeglichen und im weiteren Verfahren nicht gegen ihn verwertet werden dürfen.

Der 3. Strafsenat des BGH hat zunächst die von der Revision behaupteten Verfahrensfehler bei der Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung verneint. Jedoch hätte die bei der Auswertung der Proben festgestellte mögliche verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Vater und dem Onkel des Angeklagten mit dem mutmaßlichen Täter nicht als verdachtsbegründend gegen den Angeklagten verwendet werden dürfen. Denn § 81 h I StPO erlaubt den Abgleich von DNA-Identifizierungsmustern nur, soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von einem der Teilnehmer der Reihenuntersuchung stammt. Gleichwohl hat der Senat entschieden, dass die Übereinstimmung des DNA-Identifizierungsmusters des Angeklagten mit demjenigen der Tatspur vom Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung verwertet werden durfte. Zwar ist dieses Identifizierungsmuster rechtswidrig erlangt worden; denn der ermittlungsrichterliche Beschluss, der die Entnahme von Körperzellen des Angeklagten zur Feststellung dieses Musters anordnete (§ 81 a StPO), beruhte auf dem durch die unzulässige Verwendung der Daten aus der DNA-Reihenuntersuchung hergeleiteten Tatverdacht gegen den Angeklagten. Indes führt dies in dem konkret zu entscheidenden Fall bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht zu einem Verwertungsverbot. Entscheidend hierfür ist der Umstand, dass die Rechtslage zum Umgang mit sog. Beinahetreffern bei DNA-Reihenuntersuchungen bisher völlig ungeklärt war und das Vorgehen der Ermittlungsbehörden daher noch nicht als willkürliche Missachtung des Gesetzes angesehen werden kann. Der Verfahrensverstoß wiegt daher nicht so schwer, dass demgegenüber die Interessen der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung hier zurücktreten müssten.

BGH, Urt. v. 20. 12. 2012 ‑ 3 StR 117/12

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