BGH vom 05.05.2011: Unwirksamkeit einer verbreiteten AGB-Sicherungsabrede der öffentlichen Hand!

Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags enthaltenes Klauselwerk, wonach Gewährleistungsansprüche und Überzahlungsansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung des Auftraggebers in Höhe von 10% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesichert sind, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen.*)


Ein am 11.07.2002 geschlossener Bauvertrag enthält eine von einem (öffentlichen) Auftraggeber (AG) vorgegebene AGB-Sicherungsabrede gemäß Ziff. 6 BVB und Nr. 33 f ZVB in der damaligen Fassung (zum Wortlaut vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2011 - VII ZR 179/10, Parallelbeitrag ibr-online-Werkstatt). Der Auftragnehmer (AN) stellt am 07.08.2002 eine ("Kombi"-)Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft eines Bürgen, der sich darin zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet. Der AG nimmt wegen Rückzahlungsansprüchen den Bürgen in Anspruch. Dieser wendet ein, die Sicherungsabrede sei unwirksam. Mit Erfolg?


Entscheidung

Ja! Der BGH befindet, dass dieses Klauselwerk dem AG nach der kundenfeindlichsten Auslegung ermöglicht, die Vertragserfüllungsbürgschaft auch noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten. Das Klauselwerk führt nach dieser zutreffenden Auslegung zu einer unangemessenen Benachteiligung des AN (BGB § 307 Abs. 1), weil er für einen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen Gewährleistungsansprüchen eine Sicherheit von 10% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme leisten muss. In Höhe von 5% der Auftragssumme muss der AN gemäß Ziff. 6.1 BVB eine Vertragserfüllungsbürgschaft stellen. In Höhe von weiteren 5% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme erfolgt ein Sicherheitseinbehalt gemäß Ziff. 6.2 BVB. Der AN ist zwar gemäß Ziff. 6.2 Satz 2 BVB berechtigt, den Sicherheitseinbehalt mit einer Gewährleistungsbürgschaft abzulösen. Diese Möglichkeit hat aber bei der Bewertung, für welchen Zeitraum der AN eine Sicherheit von 10% zu stellen hat, unberücksichtigt zu bleiben. Denn sie ist für den AN unangemessen belastend und deshalb für ihn nicht zumutbar. Er kann die Reduzierung der Sicherheit auf 5% nur dadurch erreichen, dass er eine Bürgschaft auf erstes Anfordern stellt. Hat danach die im Klauselwerk des AG vorgesehene Möglichkeit, die Vertragserfüllungsbürgschaft abzulösen, als dem AN nicht zumutbar außer Betracht zu bleiben, kommt es darauf an, ob ihn die Belastung mit einer Sicherheit von 10% für die Zeit bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung unangemessen benachteiligt. Das ist der Fall. Der BGH hat Gewährleistungsbürgschaften in Höhe von 5% der Auftragssumme bisher nicht beanstandet. Er hat auch eine Vereinbarung als noch wirksam angesehen, die eine Sicherheit durch eine kombinierte Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft von 6% vorgesehen hat, mit der gleichzeitig Überzahlungs- und Gewährleistungsansprüche abgesichert worden sind (BGH, IBR 2004, 311). Eine Sicherheit von insgesamt 10% übersteigt jedoch das unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen von AG und AN angemessene Maß. Der BGH verweist auf die Vorgaben von § 14 Nr. 2 VOB/A a.F. bzw. § 9 Abs. 7 VOB/A n.F. und die Praxis der privaten Bauwirtschaft, wonach sich eine Gewährleistungsbürgschaft von höchstens 5% der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme durchgesetzt hat. Wörtlich der BGH in Rz. 28: "Eine deutlich höhere Sicherung über einen Zeitraum weit über die Abnahme hinaus ist nicht mehr hinnehmbar."

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