Wechsel zu einer „Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft“ vor Betriebsübergang

BAG-Urteil vom 18.08.2011: Schließen Arbeitnehmer vor einem Betriebsübergang einen dreiseitigen Vertrag, mit dem sie vom Betriebsveräußerer zu einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (B & Q) wechseln, so ist diese Vereinbarung wirksam, wenn sie auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer verstößt jedoch gegen zwingendes Recht, wenn dadurch bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bezweckt wird. Davon ist auszugehen, wenn die Betriebserwerberin den Arbeitnehmern schon neue Arbeitsverhältnisse verbindlich in Aussicht gestellt hat.

Die Parteien streiten über die Dauer der Kündigungsfrist für das Arbeitsverhältnis des Klägers, für die es auf die Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses ankommt. Für die frühere Arbeitgeberin des Klägers in W. war im Herbst 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im März 2006 ließ der Insolvenzverwalter den Kläger sechs Vertragsformulare unterzeichnen, mit denen der Kläger die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses mit dem Insolvenzverwalter und den anschließenden Eintritt bei einer B & Q zu sechs verschiedenen Terminen 2006 anbot. Gelten sollte der Vertrag, der von der B & Q gegengezeichnet werden würde. Anfang Mai 2006 ließ der Insolvenzverwalter den Kläger zwei weitere Angebote unterzeichnen, diesmal für ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, die den Betrieb erwerben wollte. Die Beklagte hatte vor, den Betrieb mit 352 von 452 Arbeitnehmern der insolventen Betriebsveräußerin fortzuführen. Am 29. 5. 2006 unterzeichnete die B & Q dasjenige Vertragsangebot des Klägers, das sein Ausscheiden bei der insolventen Arbeitgeberin mit dem Ablauf des 31. 5. 2006 und den Eintritt in die B & Q mit dem Beginn des 1. 6. 2006 vorsah. Tatsächlich war der Kläger am 1. 6. 2006 auf einer Betriebsversammlung in W. Dort ließ die Beklagte im Losverfahren die 352 Arbeitnehmer ermitteln, mit denen sie den Betrieb ab dem 2. 6. 2006 fortführte. Darunter war auch der Kläger. Später wurde das Vertragsverhältnis des Klägers mit der B & Q zum Ablauf des 1. 6. 2006 rückwirkend aufgehoben.

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Der Kläger kann auf Grund einer über zwölfjährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsfrist von fünf Monaten beanspruchen. Auf eine eintägige Unterbrechung durch den Vertrag mit der B & Q am 1. 6. 2006 kann sich die Beklagte nicht berufen. Wie der Achte Senat erkannt hat, diente ein etwa zu Stande gekommener dreiseitiger Vertrag dem Zweck, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen und die Rechtsfolgen des § 613 a BGB zu umgehen. Der Kläger sollte nicht dauerhaft aus dem Betrieb ausscheiden, ihm war vielmehr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Betriebserwerberin verbindlich in Aussicht gestellt worden. Das von der Beklagten betriebene „Losverfahren“ auf einer Betriebsversammlung änderte daran nichts (BAG, Urt. v. 18. 8. 2011 – 8 AZR 312/10).

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