Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

BAG sieht in einem Urteil vom 13.09.2022 bereit derzeit eine Pflicht der Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit, sagt aber nicht wie!

Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.

Danach stützt das BAG seine Entscheidung maßgeblich auf das Arbeitsschutzgesetz sowie ein vielbeachtetes Urteil des EuGHs aus dem Jahr 2019. Darin hatte der EuGH entschieden, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Arbeitgeber verpflichten müssen, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer genau zu protokollieren. Eine solch umfassende Erfassungspflicht ist im nationalen deutschen Recht bislang nicht ausdrücklich vorgesehen. Diese ergebe sich aber, so nunmehr der Erste Senat des BAG, bereits aus einer Auslegung von § 3 Absatz 2 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorgaben des EuGHs. Mit Blick auf den Wortlaut des vom Ersten Senat bemühten § 3 Absatz 2 ArbSchG, der von den „erforderlichen Mitteln“ spricht, lässt sich eine allgemeine und unterschiedslos geltende Arbeitszeiterfassung jedenfalls kaum überzeugend begründen. Offen ist zudem, ob die Zeiterfassung in einer bestimmten Form erfolgen muss. Der EuGH hatte es in der einschlägigen Entscheidung dem Arbeitgeber überlassen, wie dieser die Zeiterfassung ausgestaltet, sofern eine objektive und verlässliche Feststellung der geleisteten Arbeitszeit möglich sei.

Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.
In dem zu entscheidenden Fall beabsichtigte der Arbeitgeber die Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung. Nachdem eine Einigung mit dem Betriebsrat hierüber nicht zu erzielen war, nahm der Arbeitgeber von seinem Plan Abstand.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG* ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21).

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