Mindestlohn für ausländische häusliche Pflegekräfte

Zehntausende Betreuungskräfte aus dem Ausland arbeiten in deutschen Haushalten. Zu ihrer Bezahlungen hat das Bundesarbeitsgericht am 24.06.2021 in Erfurt ein Grundsatzurteil gefällt, das nach Einschätzung von Fachleuten Auswirkungen auf die Pflege zu Hause haben wird. Den ausländischen Arbeitnehmern, die Senioren in ihren Wohnungen betreuen, stehe der gesetzliche Mindestlohn zu.

Der Mindestlohn gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen die zumeist aus Osteuropa stammenden Frauen Betreuung auf Abruf leisteten. "Auch Bereitschaftsdienstzeit ist mit dem vollen Mindestlohn zu vergüten", sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Linck in der Verhandlung. Er machte deutlich, dass Bereitschaftsdienst auch darin bestehen könne, dass die Pflegehilfe im Haushalt der Senioren wohnen müsse "und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten".

Vermittler werben hilfesuchende Familien in Deutschland nicht selten mit dem Versprechen einer 24-Stunde-Betreuung - meist für wenig Geld. Die Klägerin aus Bulgarien, die für den Präzedenzfall vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht sorgte, bekam von ihrem heimischen Arbeitgeber, den sie mit Erfolg auf Zahlung des deutschen Mindestlohns verklagte, nach eigenen Angaben im Jahr 2015 pro Monat 950 Euro netto gezahlt. Die Klägerin verlangte nun vor Gericht für sieben Monate Arbeit im Jahr 2015 bei der Seniorin in Berlin rund 43.000 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter knapp 7.000 Euro netto.
Dafür sei sie 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche für eine über 90 Jahre alte Frau in deren Wohnung in Berlin da gewesen. Selbst nachts habe die Tür zu ihrem Zimmer offenbleiben müssen, damit sie auf Rufe der Seniorin reagieren konnte. Laut Arbeitsvertrag sollte ihre Arbeitszeit 30 Stunden wöchentlich betragen - bei einem freien Wochenende. Das beklagte Unternehmen hatte dagegen argumentiert, es schulde den gesetzlichen Mindestlohn nur für die arbeitsvertraglich vereinbarten 30 Wochenstunden. In dieser Zeit hätten die der Klägerin obliegenden Aufgaben ohne Weiteres erledigt werden können. Bereitschaftsdienst sei nicht vereinbart gewesen. Sollte die Klägerin tatsächlich mehr gearbeitet haben, sei dies nicht auf Veranlassung des beklagten Arbeitgebers erfolgt.

Das BAG verwies den Fall jedoch noch einmal zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg. Das LAG hatte der Frau Mindestlohn für 21 Stunden pro Kalendertag zugesprochen - die Arbeits- und Bereitschaftszeit wurde dabei geschätzt. Dabei habe das LAG den Vortrag der Arbeitgeberin aber nicht ausreichend gewürdig. Auch für die Annahme, die Klägerin habe geschätzt täglich drei Stunden Freizeit gehabt, fehle es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Das LAG muss nun erneut prüfen, in welchem Umfang die Klägerin Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst leisten musste und wie viele Stunden Freizeit sie hatte (Urt. v. 24.06.2021, Az. 5 AZR 505/20).

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