BAG-Urteil vom 19.04.2012 zur Kündigung wegen „Stalkings“

Ein schwerwiegender Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Nebenpflicht, die Privatsphäre und den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin zu respektieren, nicht-dienstliche Kontaktaufnahmen mit ihr zu unterlassen, kann die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Ob es zuvor einer einschlägigen Abmahnung bedarf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. 
 

Der Kläger war beim beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. 2007 teilte das Land ihm als Ergebnis eines Verfahrens vor der Beschwerdestelle nach § 13 AGG mit, dass eine Mitarbeiterin, die sich von ihm belästigt fühlte, weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“.

Im Oktober 2009 wandte sich eine andere, als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an das beklagte Land und gab an, sie werde vom Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt. Nach näherer Befragung der Mitarbeiterin und Anhörung des Klägers kündigte das Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Es hat behauptet, der Kläger habe der Mitarbeiterin gegen deren ausdrücklich erklärten Willen zahlreiche E-Mails geschickt, habe sie ohne dienstlichen Anlass in ihrem Büro angerufen oder dort aufgesucht und sich wiederholt und zunehmend aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr u. a. damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine feste Anstellung beim Land bekomme.

Das ArbG hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen, das LAG hat ihr stattgegeben.

Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Zweiten Senat Erfolg. Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung i. S. von § 626 I BGB vorliegt. Das LAG hat zwar im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger durch die Mitteilung aus 2007 nicht im Rechtssinne abgemahnt worden ist. Es hat aber nicht ausreichend geprüft, ob angesichts der Warnung durch das zuvor durchgeführte Beschwerdeverfahren und der übrigen Umstände eine Abmahnung entbehrlich war. Ob die Kündigung gerechtfertigt ist, konnte der Senat nicht selbst entscheiden. Das LAG hat keine dazu hinreichenden Feststellungen zum Sachverhalt getroffen. (BAG, Urt. v. 19. 4. 2012 – 2 AZR 258/11)

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