BGH entscheidet am 03.07.2018 über Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines GmbH-Geschäftsführers

 

Der Kläger sowie die Rechtsanwälte Dr. N. und Dr. K. gründeten 2011 die N. Rechtsanwälte GbR mit Anteilen zu je 1/3 (nachfolgend N. -GbR). Anfang 2014 gründete die N. -GbR die beklagte GmbH, deren Alleingesellschafterin sie ist. Geschäftsführer der Beklagten war bis zu seiner Abberufung am 31. Oktober 2014 der Kläger. Die Beklagte übernahm planmäßig das Geschäft der N. -GbR, das Betreiben einer gemeinsamen Rechtsanwaltssozietät, und schloss mit deren Gesellschaftern Anstellungsverträge ab. Im Dienstvertrag des Klägers vom 1. August 2014 heißt es in § 1 Abs. 1: "Die Zuständigkeit des Dienstnehmers umfasst den anwaltlichen und den kaufmännischen Bereich der Geschäftsführung." Nach § 3 des Dienstvertrags hatte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 5.000 € brutto nebst Zuschüssen zur Krankenversicherung und zum anwaltlichen Versorgungswerk zu zahlen.

Die Beklagte zahlte dem Kläger ab Mai 2015 keine Vergütung mehr. Der Kläger mahnte am 25. Juni 2015 sein Entgelt aus dem Dienstvertrag für die Monate Mai und Juni 2015 an. Daraufhin kündigte die Beklagte am selben Tag den Dienstvertrag des Klägers zum 31. Juli 2015, verbunden mit einer sofortigen Freistellung und einem Hausverbot. Der Kläger erklärte nach erneuter erfolgloser Mahnung seiner ausstehenden Vergütung mit Schreiben vom 10. Juli 2015 seinerseits die fristlose Kündigung seines Dienstvertrags.


Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der aus dem Dienstvertrag geschuldeten Vergütung für die Zeit vom 1. Mai bis zum 9. Juli 2015 als Gehalt und für die Zeit vom 10. Juli 2015 bis zum 31. August 2015 als Schadensersatz sowie die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis mit der fristlosen Kündigung vom 10. Juli 2015 beendet worden ist.

Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage dem Kläger die begehrten Zahlungen bis zum 9. Juli 2015 zu- und die beantragte Feststellung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers, der seinen Feststellungsantrag nicht aufrechterhalten hat, das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Die Entscheidung des BGH

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:


Die von der Beklagten behauptete Abrede, wonach die beiden anderen Gesellschafter der N.-GbR am 23. März 2015 und/oder am 4. Mai 2015 mit dem Kläger die Einstellung seiner Vergütungszahlung vereinbart hätten, sei nicht schlüssig vorgetragen. Die Beklagte habe als GmbH bei der Abänderung des Dienstvertrags des Klägers wirksam nur durch ihren Geschäftsführer vertreten werden können, nicht aber durch die einzelnen Gesellschafter ihrer Allein-gesellschafterin, der N.-GbR. Der Geschäftsführer der Beklagten, Dr. L., habe jedoch nach seiner Erklärung in der Berufungsverhandlung an den Besprechungen der drei GbR-Gesellschafter nicht teilgenommen, sondern sei lediglich anschließend von dem Ergebnis informiert worden. Dem Kläger stehe auch für die Zeit nach Zugang der von ihm erklärten fristlosen Kündigung vom 10. Juli 2015 unabhängig von deren Wirksamkeit ein Zahlungsanspruch zu. Im Falle der Unwirksamkeit seiner Kündigung habe das Dienstverhältnis bis zum 31. August 2015 fortbestanden. Im Falle ihrer Wirksamkeit sei die fristlose Kündigung durch ein vorheriges vertragswidriges Verhalten der Beklagten veranlasst worden, so dass diese zum Schadensersatz in Höhe der entgangenen Vergütung verpflichtet sei.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Vortrag der Beklagten zu der Änderung des Dienstvertrags des Klägers über seine Vergütung nicht schlüssig sei, weil die Beklagte dabei nur durch ihren Geschäftsführer vertreten werden könne. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass für den Abschluss der behaupteten Vereinbarung mit dem Kläger die Gesellschafterversammlung der Beklagten zuständig gewesen wäre.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers allein befugte Organ einer GmbH bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung (sog. Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG; BGH, Urteil vom 25. März 1991 II ZR 169/90, ZIP 1991, 580, 582; Urteil vom 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643 f.; Urteil vom 8. Dezember 1997 II ZR 236/96, ZIP 1998, 332, 333; Beschluss vom 26. November 2007 II ZR 161/06, ZIP 2008, 117 Rn. 3). Der Grund für diese Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung für Änderungen des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers liegt darin, dass derartige Änderungen geeignet sind, in erheblicher Weise die Entscheidungen der Gesellschafter über seine Organstellung zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 25. März 1991 II ZR 169/90, ZIP 1991, 580, 582) und durch diese Kompetenzzuweisung auch der Gefahr kollegialer Rücksichtnahme durch den (aktuellen) Geschäftsführer begegnet werden soll (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1997 II ZR 236/96, ZIP 1998, 332, 333). Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung ist auf eine Änderung der im Geschäftsführerdienstvertrag des Klägers vom 1. August 2014 enthaltenen Vergütungsregelung gerichtet.

Entgegen der Revisionserwiderung hat es auf die Kompetenz der Gesellschafterversammlung keinen Einfluss, dass der Kläger bereits zum 31. Oktober 2014 als Geschäftsführer der Beklagten abberufen worden ist. Für die Kompetenz der Gesellschafterversammlung sowohl für die Begründung oder Beendigung des Organverhältnisses als auch des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers kommt es nicht auf einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Bestellung und Anstellung bzw. Abberufung und Kündigung oder Änderung an (BGH, Urteil vom 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 644). Eine Änderung des Dienstvertrags des abberufenen Geschäftsführers fällt erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des (neuen) Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat (BGH, Urteil vom 13. Februar 1984 - II ZR 2/83, WM 1984, 532, 533 f.; Urteil vom 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 644 f.). Dann nämlich besteht nicht die Gefahr, dass der die Kündigung aussprechende Geschäftsführer die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung einengen oder unterlaufen könnte.

BGH, Urteil vom 3. Juli 2018 - II ZR 452/17

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